Tatsächlich kennen und verwenden wir eine Reihe von Techniken, die kognitive Dissonanz zu reduzieren, ohne uns dessen unbedingt bewusst zu sein. Zu den gängisten „Strategien“ gehören:
1) Selektive Wahrnehmung: Menschen sind Meister darin, nur das zu sehen oder zu hören, was sie sehen oder hören wollen. Erfahren wir etwas, das uns in unserer Wahrnehmung stört, blenden wir es einfach aus oder reden es zumindest klein. Dies ist der erste Schritt in eine Filterblase, die ausschließlich Ihre Sichtweise bestärkt.
2) Selektive Entscheidungsfindung: Hier entsteht aktiv eine Filterblase, indem die Menschen nur noch nach Informationen suchen, die den eingeschlagenen Kurs befürworten. Also angenommen, Sie sind long, dann suchen Sie ganz viele Argumente und lesen nur noch die Artikel, die dafür sprechen, dass diese Richtung oder dieser Trade richtig ist. Sie sind gar nicht mehr offen für eine Auseinandersetzung mit Gegenpositionen und haben sich Ihre Meinung bereits gebildet.
3) Rechtfertigung: In diesem Fall werden Handlungen irgendwie – im Zweifel auch irrational – begründet. Angenommen Sie haben kein Signal, sind aber Short. Sie suchen sich Ausreden, warum Sie immer wieder die eigenen Regeln, die Sie sich vorher gesetzt haben, brechen. Zum Beispiel, dass Sie es einfach im Gefühl haben oder Sie ein Glückskind sind und es deshalb schon klappen wird. Hauptsache, Sie sind davon überzeugt.
4) Schuldzuweisung: Menschen schieben gerne die Verantwortung für ihr Handeln anderen oder übergeordneten Dingen zu, um den Fehler nicht bei sich suchen zu müssen. So entpuppte sich der „heiße Tipp“ eines anderen Traders als Flopp (den Sie nicht unbesehen hätten übernehmen müssen), der Influencer twitterte zur Unzeit eine marktrelevante Information (die bei genauerem Hinsehen schon vorher öffentlich war) oder die Marktsituation hat Sie zu etwas gezwungen (obwohl Sie natürlich unabhängig sind).
5) Reflexion: Der aufgeklärte Umgang mit kognitiven Dissonanzen ist tatsächlich selten, vermutlich weil er auch am schwersten umzusetzen ist. Denn dafür müssen Sie sich bewusst sein, woher Ihr unangenehmes Gefühl rührt und Sie müssen gewillt sein, offen und ehrlich Ihr Verhalten zu reflektieren. Wenn Sie sich kritisch hinterfragen, Fehler eingestehen und z.B. Filterblasen gezielt aufbrechen, können Sie mit rationalen Gründen und dann ggf. geändertem Verhalten Dissonanzen reduzieren.
In welchen Situationen Trader im Speziellen kognitive Dissonanz erleben und wie sie ihre Effekte begrenzen können, schauen wir uns im Folgenden an.