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Definition & Bedeutung

Mit kognitiver Dissonanz wird in der Psychologie der Zustand beschrieben, wenn zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine Diskrepanz herrscht, die als unangehem empfunden wird. Dies ist häufiger der Fall, als es vielleicht zunächst klingt, denn oft haben wir bereits die Mechanismen der Dissonanzreduktion verinnerlicht und wenden sie an, ohne uns dessen bewusst zu sein.

Der „Wunsch“ ist von Leon Festinger, dem Begründer der Theorie, weit gefasst und beinhaltet neben Wünschen als solchen auch Gedanken, Meinungen und Absichten. Es gibt demnach sehr viele Momente, in denen unser „Kopf-Kino“ einen anderen Film spielt als das Leben um uns herum. Dies wird besonders deutlich, wenn wir uns die möglichen Ursachen anschauen.

Ursachen für kognitive Dissonanz

Der Homo Sapiens hat sich diese Bezeichnung gegeben, weil er sich seines rationalen und logischen Denkens rühmt. Auch wenn längst nachgewiesen wurde, dass tatsächlich die meisten Entscheidungen nicht rational, sondern aus dem Bauch heraus getroffen werden, versuchen die Menschen, ihr Handeln logisch zu begründen – und sei es nur für sich selbst. Wenn dies dann nicht gelingt, stellt sich ein unangenehmes Gefühl ein.

Die Situationen, die zu einer solchen Diskrepanz von Theorie und Praxis führen können, sind vielfältig, beim Trading beispielsweise:

  • Widerspruch zum Selbstbild: Sie sehen sich selbst als erfolgreichen Trader, während Ihr Kontostand etwas anderes erzählt.
  • Falsche Entscheidungen: Sie haben Ihr Instrument ausgewählt, Wirtschaftsnachrichten recherchiert, Analysen gemacht. Alles schien zu passen. Jetzt haben Sie einen Trade eröffnet, und doch läuft der Markt​​ gegen Sie.
  • Unerwartete Hindernisse: Sie haben sich einen Plan zurecht gelegt und wollten innerhalb einer bestimmten Zeitspanne Ihren Lebensunterhalt vom Trading bestreiten, aber Sie machen noch nicht genug Gewinn und müssen Ihre Pläne immer wieder revidieren.
  • Unerfüllte Erwartungen: Sie haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, Informationsmaterial gelesen, Beispiele durchgerechnet und fühlen sich bestens gerüstet fürs Trading. So gut vorbereitet dürfte nichts schief gehen, und trotzdem passiert es.

Diese kognitive Dissonanz empfinden Menschen als störend, und sie möchten ihre Gedanken wieder mit ihrer Wahrnehmung in Einklang bringen. Da sie in diesen Fällen die Realität nicht ändern können, ändern sie ihre Gedanken oder rechtfertigen diese. Dabei spielt die Wahrheit keine große Rolle – Menschen werden sehr erfinderisch, wenn es um ihren Seelenfrieden geht.

Bedeutung fürs Trading

Jeder Trader kennt dieses Szenario: Die Voraussetzungen für einen Trade waren gegeben, der Einstiegspunkt genau berechnet. Der Trade wurde eröffnet, und dann dreht der Markt. In solch einem Fall wäre es sinnvoll und vernünftig, den Trade zu schließen. Doch oft kommt es vor, dass Trader dies gerade nicht tun, sondern den Trade laufen lassen, bis ein gewisser Stopp erreicht wurde. Sie erhoffen sich, dass sich der Trade in die gewünschte Richtung dreht und sie mit der eigenen Vorhersage recht haben. In einem sehr negativen Szenario fällt der Kurs jedoch weiter und das Konto wird am Ende glatt gestellt. Die Psychologie entscheidet also mit über den Erfolg beim Trading und hat daher eine große Bedeutung.

Nun stellt sich die Frage, warum es bei Tradern gerade dann zu einem positiven Gefühl kommt, wenn bei Verlusten Positionen nachgekauft werden? Und warum kann der Trader, der aufmerksam vor der Handelsplattform sitzt, in diesem Moment nicht rational handeln und es „einfach“ abstellen? Warum wiederholt sich dieses Szenario immer wieder? Die Gründe liegen in der Art der Dissonanzreduktion, die die Trader „wählen“, um mit der Situation umzugehen.

Möglichkeiten der Dissonanzreduktion

Tatsächlich kennen und verwenden wir eine Reihe von Techniken, die kognitive Dissonanz zu reduzieren, ohne uns dessen unbedingt bewusst zu sein. Zu den gängisten „Strategien“ gehören:

1) Selektive Wahrnehmung: Menschen sind Meister darin, nur das zu sehen oder zu hören, was sie sehen oder hören wollen. Erfahren wir etwas, das uns in unserer Wahrnehmung stört, blenden wir es einfach aus oder reden es zumindest klein. Dies ist der erste Schritt in eine Filterblase, die ausschließlich Ihre Sichtweise bestärkt.

2) Selektive Entscheidungsfindung: Hier entsteht aktiv eine Filterblase, indem die Menschen nur noch nach Informationen suchen, die den eingeschlagenen Kurs befürworten. Also angenommen, Sie sind long, dann suchen Sie ganz viele Argumente und lesen nur noch die Artikel, die dafür sprechen, dass diese Richtung oder dieser Trade richtig ist. Sie sind gar nicht mehr offen für eine Auseinandersetzung mit Gegenpositionen und haben sich Ihre Meinung bereits gebildet.

3) Rechtfertigung: In diesem Fall werden Handlungen irgendwie – im Zweifel auch irrational – begründet. Angenommen Sie haben kein Signal, sind aber Short. Sie suchen sich Ausreden, warum Sie immer wieder die eigenen Regeln, die Sie sich vorher gesetzt haben, brechen. Zum Beispiel, dass Sie es einfach im Gefühl haben oder Sie ein Glückskind sind und es deshalb schon klappen wird. Hauptsache, Sie sind davon überzeugt.

4) Schuldzuweisung: Menschen schieben gerne die Verantwortung für ihr Handeln anderen oder übergeordneten Dingen zu, um den Fehler nicht bei sich suchen zu müssen. So entpuppte sich der „heiße Tipp“ eines anderen Traders als Flopp (den Sie nicht unbesehen hätten übernehmen müssen), der Influencer twitterte zur Unzeit eine marktrelevante Information (die bei genauerem Hinsehen schon vorher öffentlich war) oder die Marktsituation hat Sie zu etwas gezwungen (obwohl Sie natürlich unabhängig sind).

5) Reflexion: Der aufgeklärte Umgang mit kognitiven Dissonanzen ist tatsächlich selten, vermutlich weil er auch am schwersten umzusetzen ist. Denn dafür müssen Sie sich bewusst sein, woher Ihr unangenehmes Gefühl rührt und Sie müssen gewillt sein, offen und ehrlich Ihr Verhalten zu reflektieren. Wenn Sie sich kritisch hinterfragen, Fehler eingestehen und z.B. Filterblasen gezielt aufbrechen, können Sie mit rationalen Gründen und dann ggf. geändertem Verhalten Dissonanzen reduzieren.

In welchen Situationen Trader im Speziellen kognitive Dissonanz erleben und wie sie ihre Effekte begrenzen können, schauen wir uns im Folgenden an.

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Kognitive Dissonanz bei Tradern

Neben dem oben genannten Beispiel gibt es noch viele weitere, die wesentlich unscheinbarer sind, und doch als kognitive Dissonanz bewertet werden können. Vielleicht erkennen Sie sich in einem wieder?

Beispiele beim Trading

Nehmen wir diesen Chart, dessen Verlauf ein Trader wie folgt sehen könnte:

Kognitive Dissonanz beim Trading
Quelle: CMC Markets

„Ich bin long und der Preis sinkt... Das ist bestimmt nur ein kurzer Ausbruch. Ich liege richtig, der Preis dreht bestimmt.“

„Der Preis sinkt weiter... Ich kaufe zu, da kann ich mich gemäß ‚buying the dip‘ noch einmal billig vergrößern.“

„Ich hätte schon längst shorten sollen; der Trend ist stark, ich steige noch ein.“

„Ja, ich habe es gewusst! Gut, dass ich short bin.“

„Das ist nur eine kurze Gegenbewegung, das dreht bestimmt wieder.“

„Prima, jetzt dreht der Markt. Ich verkaufe noch mehr.“

„Das ist keine richtige Rally. Meine Short-Position ist immer noch gut. Mein Indikator zeigt schon überkauft an.“

„Ist wohl doch ein starker Trend. Ich steige lieber um.“

„Das ist nur eine Delle. Ich kann nachkaufen, bevor sich der Trend fortsetzt.“

In jedem dieser Momente ließen sich vielleicht mit einer genaueren Analyse, einem zusätzlichen Indikator oder einem disziplinierterem Verfolgen eines Ausstiegsplans größere Verluste vermeiden.

So minimieren Sie Effekte kognitiver Dissonanz

Bestehende Verhaltensmuster zu ändern, ist nie leicht. Sich die psychologischen Muster bewusst zu machen, ist dabei der erste Schritt.

Bessere Entscheidungen können Sie treffen, indem Sie Folgendes berücksichtigen:

  • Nüchterne Analyse: entscheiden Sie long oder short nach einer Analyse​​, die alle Möglichkeiten einbezieht. Es ist immer gefährlich, eine einseitige Marktanalyse zu machen. Suchen Sie Gegenargumente zu einem Trade statt solche, die Ihre Idee bestärken und erklären Sie sich selbst den Trade. Manchmal klingt es anders, wenn man es laut ausspricht.
  • Trading-Plan: entwickeln Sie einen Plan und legen Sie fest, zu welchem Zeitpunkt Sie ein- und auch wieder aussteigen. Und: halten Sie sich strikt daran, schließlich haben Sie aus guten Gründen exakt diese Ein- und Ausstiegspunkte definiert!
  • Risikomanagement​​: bestimmen Sie Ihre Trading-Strategie und wieviel Sie zu verlieren bereit sind. Bauen Sie Ihr Risikomanagement entsprechend Ihres Ausstiegsszenarios auf - idealerweise mindestens ein Stopp-Loss​​. Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass man sich irren kann, und auszusteigen, bevor der Verlust unendlich groß wird.
  • Trading-Tagebuch: führen Sie Buch und notieren Sie sich alle wichtigen Trades mit Erfolgen und Verlusten. Was habe ich in dieser Situation gemacht? Was ist schlecht gelaufen? Woran lag's? Was hat mich aus der Fassung gebracht? Auf diese Weise können Sie besser typische Verhaltensmuster erkennen. Eine Vorlage zu einem Trading-Tagebuch finden Sie in unseren 10 Trading Techniken​​​.
  • Emotionen: kontrollieren Sie sie so weit wie möglich und suchen den Schuldigen nicht woanders, sondern achten Sie wirklich auf sich selbst und befolgen die eigenen Regeln bestmöglich.
  • Sozialer Druck: meiden Sie Situationen, die Sie möglicherweise unter Druck setzen, z.B. indem Sie Trades nicht öffentlich diskutieren, um gar nicht erst in eine Rechtfertigungs-Ecke gedrängt zu werden. Menschen tendieren dazu, eher Ausreden zu finden, bei einer einmal gefassten Entscheidung zu bleiben, statt zuzugeben, dass man falsch lag. Dadurch fällt es Ihnen dann ggf. schwerer, die nötigen Schritte zum Ausstieg zu gehen.
  • Ehrlichkeit. Es gibt keinen Trader, ganz gleich, wo er arbeitet oder wie gut er ist, der keine Verlust-Trades generiert. Und wenn man nach über fünf Jahren immer die gleichen Fehler macht und das Ganze weiterhin als Lernprozess bezeichnet, dann ist das so in Ordnung. Man kann besser werden, aber letztlich muss man sich dann die Frage stellen: Ist das Produkt richtig? Bin ich dafür geeignet? Und was kann ich wirklich besser machen? Oder woran liegt es effektiv? Nach fünf Jahren sollte man diese groben Fehler nicht mehr begehen.

Letztendlich gilt: Wer nach Entschuldigungen sucht und Einstiege herausfordert, der riskiert viel. Es kann gutgehen, aber man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass es schiefgehen kann.

Fazit

Kognitive Dissonanzen können Tradern begegnen, wenn der Trade einmal nicht so läuft wie gewünscht. Um dann nicht in eine psychologische Falle zu tappen und eine falsche Entscheidung zu treffen, ist es ratsam, sich kritisch und ergebnisoffen mit Informationen zum Markt, aber auch mit dem eigenen Verhalten – insbesondere eigenen Verhaltensmustern – auseinanderzusetzen. Nur wenn Ihnen die Mechanismen der kognitiven Dissonanz bewusst sind und Sie diszipliniert gegensteuern, können Sie die negativen Effekte dieses Aspekts der Trading-Psychologie vermeiden.

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